Zukunft begegnet Vergangenheit


Zielgruppe: Jgst. 10–Q4 | von Uli Hraský


Das Foto oben entstand während der Fridays-for-Future-Demo am 25. September 2020. Ich denke, dass es die Grundsituation gut illustriert: Während Menschen für einen Bewusstseinswandel eintreten, werden parallel makellose Verheißungen eines »freien«, »mobilen« und vor allem bequemen Lebens in Schutzfolien an »Gläubige« versendet. Für mich ist es wie das Zusammentreffen zweier Entwicklungsstufen: Rationale Einsicht in das Not-Wendige vs. magischer Glaube an die Aufladung von Dingen zu Fetischen. Diese werden mit enormem Aufwand produziert, doch ihre Verheißungen verändern nichts Substantielles zum Guten. Im Gegenteil, das nächste Objekt mit Verheißung wartet bereits, um das Versprechen, welches das vorherige nicht halten konnte, dann scheinbar einzulösen. Doch bei nüchterner Betrachtung werden Dinge meist nur noch konsumiert (und im günstigsten Fall praktisch genutzt). Die symbolische Ebene wirkt dabei am stärksten auf den Besitzer selbst, denn er lässt sich ja fangen, glaubt an den Prestigegewinn, die Freiheit etc., die ihm verheißen werden. Ganz anders die Menschen im Vordergrund: Sie sehen – angesichts der sich immer weiter verschärfenden Klimaveränderung – offenbar das Notwendige.


Als Greta Thunberg ihren Schulstreik begann, war der für viele zunächst etwas Kurioses. Ein Jahr später wurde daraus bereits eine weltweite Bewegung. Die Fridays-for-Future-Bewegung fordert seitdem, dass man auf die Erkenntnisse der Wissenschaft hören soll – eben ein rationales Umgehen mit dem Problem. Durch die Corona-Pandemie sollten wir eigentlich spätestens gelernt haben, dass es klug ist, wissenschaftlichen Erkenntnissen mehr zu trauen als gefühlten »Wahrheiten« oder Wünschen, die durch Lobbyisten unterschiedlicher Couleur in uns wachgerufen werden. Für dieses Beharren auf dem rationalen Denken steht Greta, als Platzhalter für uns alle: Wir können alle genau diese Rolle übernehmen – im Kleinen, Alltäglichen, aber natürlich auch auf der nächsten Fridays-for-Future-Demo!

Wenn wir Greta zu mehr machen würden – etwa zu einer »Heiligen« –, dann hätten wir sie ziemlich missverstanden und uns nebenbei in eine gefährliche Nähe zu oben beschriebenem magischen Denken gebracht: Wir würden sie dann dafür verehren, dass sie die Dinge für uns regelt – und wir so weitermachen können wie bisher. Dies ist wiederum nicht weit entfernt von der Ablehnung bzw. Diskreditierung Gretas, die ebenfalls darauf abzielt, beim Status quo bleiben zu können. Aber so leicht kommen wir eben nicht davon, wir müssen selbst neue Wege finden: »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«, legt uns Kant nahe. Greta und die Menschen oben auf dem Foto machen genau das.



Hier ein Link zu einem Film über Greta Thunberg. Der Film ist insofern etwas problematisch, als er zeigt, wie von Beginn an eine mediale Ebene Gretas Protest begleitete, wie nüchterne Dokumentation und arrangierte Elemente sich partiell vermischen. Doch auch wenn der Film vielleicht nicht ganz »neutral« ist (falls es so etwas überhaupt gibt), solltest du dich nicht zu sehr daran stören, sondern eher den demaskierenden Widerstand Gretas wahrnehmen, der unbestrittene Erfolge für den Klimaschutz gebracht und die begrenzten Denkmodelle des Politischen und Ökonomischen infrage gestellt hat. Gerade für deine Generation (und die meiner Kinder) wird Gretas Auftreten vermutlich ein wichtiger Beschleuniger und Impulsgeber in Richtung eines umfassenderen Verständnisses von einem »guten Leben« werden.