Der Osteuropahistoriker Wilfried Jilge informierte am Domgymnaisum über die historisch-politischen Hintergründe zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Der Ukrainekrieg hält die Welt weiterhin in Atem. Auch unsere Schulgemeinde beschäftigt sich seit drei Monaten intensiv mit dem gewalttätigen Konflikt in Osteuropa.

Vielfältige Hilfsaktionen, wie ein groß angelegter Spendenlauf, eine Kuchenaktion der SV, die Sammlung von Sachspenden, aber auch Projekte aus den Fachschaften Kunst und Politik zeugen von der großen Anteilnahme. Mittlerweile sind auch die ersten ukrainischen Schülerinnen und Schüler am Domgymnasium angekommen und werden so gut wie möglich beschult und integriert. 

Durch die Kooperation mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) konnte in diesem Zusammenhang ein sehr interessanter Vortrag an der Schule realisiert werden, der aufgrund der Aktualität des Themas auf große Resonanz stieß: Wilfried Jilge, Osteuropaexperte am Berliner Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF), sprach am 24.5.22 vor der Einführungsphase über die Ursachen des Konflikts und die aktuelle Situation. Dabei erläuterte er anhand verschiedener Karten die historische Entwicklung der Ukraine unter russischem,  österreichischem und polnischem Einfluss.

Eine bis heute prägende Phase sei laut Jilge die sowjetische Zeit unter Josef Stalin gewesen. Diese sei auch deshalb von großer Relevanz, da sich Vladimir Putin stark an dieser Epoche orientiere. Putin wolle das sowjetische Imperium erneuern, wobei die Ukraine für ihn von entscheidender Bedeutung sei, da er sie mit Belarus zum Kern der „Russischen Welt“ bzw. „Neurussland“ zähle. Daher sei es seit dem Beginn der 2000er Jahre das Bestreben Russlands gewesen, den geostrategischen Einfluss über diese Gebiete zu erhalten und zu verstärken. Die Methoden, um dieses Ziel zu erreichen, hätte Putin stets angepasst. Die Entwicklung der Ukraine zu einem westlich ausgerichteten Staat im „russichen Vorgarten“ habe der Kreml um jeden Preise verhindern wollen. Die aktuelle Vollinvasion sei der völkerrechtswidrige Versuch, die ukrainische Nationalbewegung zu enthaupten und die Ukraine sowie die erweiterte Schwarzmeerregion vollständig unter russische Kontrolle zu bringen.

Einen Schwerpunkt legte Jilge in seinem von großer Sachkenntnis und persönlichen Erfahrungen geprägten Vortrag auf die ideologischen Legitimationsmuster, mit denen der Kreml seinen Angriffskrieg rechtfertigt. Dabei widerlegte der Historiker sachkundig u. a. das russische Narrativ von der Ukraine als „organisch russsichem Kunstprodukt“, dessen Bevölkerung mehrheitlich einen Anschluss an Russland wünsche. Selbst in der Ostukraine und auf der Krim gebe es laut Jilge keine separatistsich-prorussischen Mehrheiten. Hier sei die russische Führung von falschen Tatsachen ausgegeangen und sei daher vom energischen Widerstand der Ukraine überrascht worden.   

Neben seiner Einschätzung der aktuellen militärischen Lage ging Herr Jilge letztlich auch auf denkbare Friedensperspektiven ein.

Im Anschluss hatten die Schülerinnen und Schüler zudem die Möglichkeit, Fragen an den Referenten zu stellen und zu diskutieren. Diese Gelegenheit wurde auch von der Ukraine-AG der Schule genutzt, die Herr Jilge nach seinem Vortrag besuchte. 

Bastian Michel

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