Der USA-Experte Dr. Josef Braml erläuterte im Domgymnasium die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können. Dabei forderte er eine verstärkte eurpäische Integration auf allen Ebenen.

Sicherheitspolitik liegt im Trend; sie ist spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine aus der gesellschaftlichen Schmuddelecke ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt.

Dabei führen die aktuellen Ereignisse in Osteuropa, die auch die Schulgemeinde des Domgymnasiums bewegen, nur deutlich vor Augen, was sich schon seit rund zwei Jahrzehnten immer stärker abzeichnet: Aus der „Pax Americana“ nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich eine neue, multipolare Weltodnung entwickelt, die Deutschland, Europa und den Westen vor völlig neue Herausforderungen stellt. Wie wir uns in diesem schwierigen Umfeld behaupten können, das erläuterte der Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission, Dr. Josef Braml, den Schülerinnen und Schülern der Qualifikationsphase 2, die sich im kommenden Schuljahr im Rahmen des Poltikunterrichts mit internationalen Beziehungen im Zeitalter der Globalisierung beschäftigen werden. Dabei stellte er die Kernthesen vor, die er in seinem neu erschienen Buch „Die transatlantische Illision“ formuliert. Der Votrag konnte durch die Kooperation der Schule mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik ermöglicht werden, so dass der GSP-Sektionsvorsitzende Michael Trost in das Thema einführte und den Referenten vorstellte.

Dr. Braml band die Schülerinnen und Schüler von Beginn an gekonnt in seinen rhetorisch fesslenden Vortrag ein und machte Ihnen Mut, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. An seinem eigenen Beispiel zeigte er auf, wie man sich es als junger niederbayerischer Landwirt mit Schwierigkeiten beim Englischunterricht über den zweiten Bildungsweg zu einem der renommiertesten deutschen USA-Experten hocharbeiten kann. Dieser Werdegang, der auf persönlicher Leistung beruht, ist der Grundgedanke des Amerikanischen Traums. Dieser sei allerdings in den letzten Jahrzehnten zunehmend verblasst. Das Zeitalter der Globalisierung und dessen soziökonomische Auswirkungen hätten die US-amerikanische Gesellschaft gespalten und den Aufstieg des Populismus befördert. Die erste Präsidentschaft Donald Trumps sei ein Symptom dieser krisenhaften Entwicklung gewesen, so Dr. Braml. Eine Folge sei die außenpolitische Schwächung und Neuorentierung der USA, die Ihren Fokus in den asiatisch-pazifischen Raum verlagert hätten und verstärkt auf wirtschaftlichen Protektionismus setzten. Die Vorstellung der Europäer, dass die USA sie weiterhin beschützen würden, sei daher ebenso eine Illusion wie die Annahme, dass der globale Freihandel die Welt zum Besseren wenden würde.

Aktuell sei vielmehr eine Deglobalisierung und Blockbildung zu erkennen, deren Heftigkeit das Zeitalter des Kalten Krieges sogar noch übertreffe. Heute gelte wieder das Recht des Stärkeren und die Regeln der Weltgemeinschaft würden neu festgelegt. „Wir sind auf dem Weg in eine neue Welt“, stellte Dr. Braml fest, der die Gefahr eines großen Konfliktes der USA mit China sieht. Putin hätte in der Urkaine einen Zweifrontenkrieg für die USA eröffent, der aktuell von diesem größeren Kräftemessen ablenke. Daher bestehe auch keine realistische Hoffnung, dass die USA die unter Trump eingeleitete und von Biden fortgesetzte außenpolitisch-wirtschaftliche Wende revidieren werden. Hinzu käme die nicht unwahrscheinliche Wiederwahl Trumps bei den nächsten Präsidentschaftwahlen, die die Rolle der NATO verändern könnte. 

Diese Entwicklung sei für Europa, und insbesondere für die Exportnation Deutschland mit Ihren weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen, höchst problematisch. Laut Dr. Braml stehe man an einem „make or brake-Moment“. Europa müsse sich jetzt militärisch neu aufstellen und die eurpäische Integration auf allen Ebenen vorantreiben, was auch einen gemeinsamen europäischen Haushalt und eine Schuldenvergemeinschaftung bedeute. Nur als eigenständiger europäischer Block könne Europa in der neuen Welt Gewicht haben, um nicht zwischen Amerika und China zerrieben zu werden. Bei diesem Prozess sieht Dr. Braml vor allem die junge Generation in der Verantwortung und bei ihr zuvörderst die Abiturienten. „Hier sehe ich Elite“ konstatierte Dr. Braml und verband diese Feststellung mit dem Appell: „Die Zeit von Dekadenz und Bräsigkeit ist vorbei. Es muss Verantwortung übernommen werden“.

Die engagierte Fragerunde und Diskussion im Anschluss an den Vortrag hat gezeigt, dass Dr. Braml mit seinen streitbaren Thesen einen Nerv getroffen hat.

Bastian Michel

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