Das „Forum Rabanus Maurus“ wurde im letzten Jahr durch den Förderverein „Wir Freunde des Domgymnasiums“ nach langer Pause und einem Vortrag des Journalisten Jan Fleischhauer zum Thema „Meinungsfreiheit und ihre Feinde – Aufforderung zur Meinungsfreude“ wiederbelebt. Hier sollen vor allem ehemalige Schülerinnen und Schüler, die sich ihrer alten Schule verbunden fühlen, aus ihren spannenden Berufen berichten.
Auf der Suche nach geeigneten Referenten stieß der Vorstand des Fördervereins auf Dr. Kilian Fleischer, dessen Expertise in besonderer Weise zum humanistischen Profil unserer Schule passt. Dr. Fleischer ist Experte für klassische Philologie und Papyrologie an der Universität Tübingen. Seine Leidenschaft für die alten Sprachen und die antike Kultur wurde einst am Domgymnasium entzündet, wo er 2004 seine Abiturprüfung ablegte. Diesem Interesse ging er auch nach seiner Reifeprüfung nach und ist mittlerweile als Wissenschaftler Teil eines Forschungsprojektes, das das Wissen über die antike Welt revolutionieren könnte. Dieses hat das Ziel, hunderte verkohlte Papyri (Schriftrollen), die beim berühmten Versuvausbruch 79 n. Chr. in Herkulaneum unter einer meterhohen Ascheschicht begraben wurden, digital zu entfalten. Diese Schriftrollen, die an auf den ersten Blick eher unspektakulär aussehen, bergen einen enormen Schatz. Sie enthalten Textquellen, die der Wissenschaft bisher unbekannt waren und die die Sicht auf historische Ereignisse radikal verändern könnten. Dabei muss man wissen, dass über die Jahrhunderte aus verschiedenen Gründen 99% der antiken Literatur verloren gegangen sind. Kilian Fleischer und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nun die ersten, die die Papyri seit 2000 Jahren öffnen und somit eine Zeitsprung vornehmen können, um den sie viele beneiden.
Dr. Kilian Fleischer berichtete am 07.11. ausgehend vom Versuv-Ausbruch von der Entdeckung der Schriftrollen, deren Inhalten, ersten Entrollungsversuchen, dem Stand der Forschung sowie aktuellen technischen Fortschritten bei der Entzifferung der Texte. Er zeigte anschaulich, wie bereits geöffnete Rollen mit Multispektralbildern, Hyperspektralbildern und Floureszenzspektroskopie lesbarer gemacht wurden. Dass die noch ungeöffneten Rollen seit 2023 über die aus der Medizintechnik bekannte Computertomographie und KI ohne Aufwickeln lesbar gemacht werden können (sog. „Virtual Unrolling“), sorgte für Begeisterung im Publikum. Dieses folgte mit zunehmender Faszination dem anschaulichen Vortrag und stellte im Anschluss zahlreiche Fragen. Für großes Erstaunen sorgte hier besonders der Umstand, dass die Bergung einer Vielzahl von ungeöffneten Schriftrollen, die sich heute unter der Erde in den Überresten der Villa dei Papiri befinden, durch die aktuellen italienischen Eigentümer verhindert werden kann.
Diese und andere Kuriositäten konnten beim anschließenden Umtrunk ausgiebig diskutiert werden. Möglicherweise kann Dr. Fleischer bald wieder am Ursprung seiner Wissenschaftskarriere über die Revolutionierung der Altertumswissenschaft durch den gehobenen Quellenschatz von Herkulaneum berichten. Das „Forum Rabanus Maurus“ steht im jedenfalls jederzeit offen.
Bastian Michel