11.09.2017 | Die „gute alte Zeit“ ist eine wohlige Erinnerung an eine Vergangenheit, über die sich der Nebel des Vergessens und der Verklärung gelegt hat: Probleme erscheinen in der Retrospektive gering, die eigenen Erlebnisse hingegen schön und bewegend. Die „gute alte Zeit“ ist auch eine Flucht aus der Wirklichkeit in die Geborgenheit einer scheinbar heilen Vergangenheit. Gleichzeitig birgt diese Weichzeichnung der früheren Zeit auch Gefahren. Auch über Unrecht und Diktatur legt sich die Patina der „guten alten Zeit“.
Gegen solch ein Vergessen arbeitet der Schriftsteller Siegfried Wittenburg, der schon als Photograph in der DDR mit den staatlichen Vorgaben in Konflikt geriet. In seinem Vortrag “Leben in der Utopie. Der Alltag in einem verschwundenen Staat” stellte er am 30.08.17 den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10 und der G8-Klasse der Jahrgangsstufe 9 in einem interessanten und abwechslungsreichen Bildervortrag das vordergründig unspektakuläre Alltagsleben der Menschen in der DDR vor. Anschaulich wurde diese Darstellung durch die Erklärungen und Erzählungen Wittenburgs, der die Schüler in diese frühere Welt des realexistierenden Sozialismus eintauchen ließ und den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates verdeutlichte. Die positive Utopie des Sozialismus und die scheinbar „heile Welt“ der Diktatur, in welcher die Medien über das eigene Land nur Positives verbreiten, kontrastierte er mit seinen Photographien und Erzählungen, die ein ungeschöntes Bild der damaligen Wirklichkeit geben.
Insgesamt wurde Wittenburgs Vortrag zu einer beklemmenden, aber auch aufschlussreichen Lehrstunde über das Leben in einer Diktatur. Geschichte wurde durch diesen Zeitzeugenvortrag für die jugendlichen Zuhörer lebendig und fast schon real erlebbar.
Marcel Zirpins