Anja Tuckermann liest im Rahmen von „Literatur im November“ am Domgymnasium

Es schneit bereits draußen, als Anja Tuckermann im E-Pavillion beginnt, vor Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 7 aus ihrem Roman „Muscha“ zu lesen. Noch wissen die Jugendlichen nichts über Joseph (Muscha) Müller, der als Sinti-Junge Opfer von Ausgrenzung, Hass und Gewalt wurde, als er in ihrem Alter war.

Anja Tuckermanns Roman basiert auf einer wahren Geschichte, die sich zur Zeit des Nationalsozialismus in Halle an der Saale zugetragen hat. Die Autorin liest langsam, mit bewegter Stimme. Ihre Erzählung nimmt uns beinahe filmisch mit in ein Grauen, in dem die Zuhörerschaft stets auf demselben Kenntnisstand ist wie Joseph selbst. Wie schlimm kann es noch werden?

Die Rückfragen der Jugendlichen lassen darauf schließen, dass sie selbst kaum fassen können, was sich offenbar wirklich ereignet hat: rohe Gewalt, unbeantwortete Fragen, dann sogar Zwangssterilisation – gemeinsame Sache gegen einen Einzelnen, ein Kind zumal.

Die ewige Frage wird auch hier gestellt: Warum haben so viele mitgemacht? Was hatten die Nazis gegen Sinti und Roma?

Anja Tuckermann sagt: „Ist es nicht heute auch häufig so, dass man vermeintlichen Autoritäten Glauben schenkt, ohne es selbst zu überprüfen?“ Die Autorin meint die sozialen Medien, manche politische Äußerung, wenn sie so spricht und appelliert an das eigene Gefühl: „Ihr müsst immer misstrauisch sein, wenn euer Gefühl sagt, dass hier etwas nicht stimmt. Traut euch immer nachzufragen.“ Am Ende bleibt sie noch zum Gespräch.

Ihr Roman „Muscha“ sowie auch ihr Erzählband „Nirgendwohin. Irgendwohin“ stehen ab sofort in der Mediathek und warten auf interessierte Leserinnen und Leser.

Constanze Schneider

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