16.10.2015 | Jährlich, immer Anfang September, sollten sie stattfinden – die Nürnberger Reichsparteitage. Bis 1938 fanden sich ca. eine Million Menschen und die gesamte NS-Elite in Nürnberg ein. Die Woche der Reichsparteitage war die wichtigste Selbstdarstellungs-Inszenierung und größte Massendemonstration des NS-Regimes.

Für dieses gigantische Propagandaspektakel ließ Adolf Hitler das Naherholungsgebiet der Stadt Nürnberg nach seinen Wünschen umgestalten. Gewaltige Bauwerke sollten entstehen, die jedoch nur in wenigen Fällen vollendet wurden und in der Mehrheit als Rohbau stehen blieben. Das Deutsche Stadion kam über Fundamentierungsarbeiten nicht hinaus. Noch heute zeugen die ruinenhaften Überreste von der größenwahnsinnigen Gigantomanie der NS-Ideologie. Daher gehört es zum festen Programm der Rabanus-Maurus-Schule, in Nürnberg die Geschichte für die Schülerinnen und Schülern erfahrbar zu machen und entdeckendes Lernen zu fördern. In Nürnberg kann die NS-Ideologie für jeden nachvollziehbar „begriffen“ werden, weswegen wir im Rahmen des Lehrplans eine jährliche Exkursion zum Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg mit der Jahrgangstufe Q3/4 durchführen.

Am 16. September 2015 war es wieder soweit. Die Geschichtskurse (von Frau Schmidt, Herrn Croon, Herrn Elm, Herrn Falkenhahn, Herrn Feuerstein, Herrn Galle und Herrn Kleber) besuchten das ehemalige Reichsparteitagsgelände. Im Vorfeld wurden die Schülerinnen und Schüler im Unterricht auf das ideologiebelastete Gelände vorbereitet und vor Ort konnten sie auf ihre (Er-)Kenntnisse zur NS-Geschichte aus dem Geschichtsunterricht zurückgreifen. Die Exkursion bot die Möglichkeit, die propagandistischen Mittel der NS­DAP hautnah wahrzunehmen. Der direkte Kontakt ist eben doch etwas anderes, als der theoretische Unterricht mittels Textquellen und Bildern. Aber die Konfrontation mit den architektonischen Überbleibseln der NS-Ideologie brachte nicht nur Erstaunen, sondern vor allem verständnisloses Kopfschütteln hervor. Die Gigantomanie der Gebäude, die alles Bekannte in den Schatten stellen sollte, schreckte geradezu ab.

Die Busse hielten vor dem Dokumentationszentrum, das sich in der ehemaligen Kongresshalle befindet. Die Architektur dieses Gebäudes erinnert stark an das antike Kolosse­um in Rom und zeigt, dass die Nationalsozialisten danach trachteten die Errungenschaften Europas durch Gigantomanie zu übertreffen. In dem Dokumentationszentrum befindet sich die Dauerausstellung, die mit sehr anschaulichen Dokumenten, Filmen und Grafiken die Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft von der Machtergreifung bis zu den Nürnbergern Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg aufzeigt und die Bedeutung der NS-Reichsparteitage eindrücklich hervorhebt. Sie verschweigt aber auch nicht die nationalsozialistischen Gräuel. Die Dauerausstellung heißt „Faszination und Gewalt“, denn sie will ebenso dafür sensibilisieren, dass diese NS-Bauwerke auch unter zu Hilfenahme von gnadenloser Ausbeutung von Menschen erfolgte, die nicht zur NS-Gesellschaft gezählt wurden. So kam Granit für das Parteitagsgelände u.a. aus den Steinbrüchen der Konzentrationslager Flossenbürg und Mauthausen.

Nach der Besichtigung der Dauerausstellung wurden die Kurse über das große Gelände geführt. Im Laufen, rund um den Dutzendteich, wurden den Schülerinnen und Schülern die gigantischen Ausmaße der Anlage deutlich – obwohl wir in den 2½ Stunden gar nicht alles anschauen konnten.

Wie das Dokumentationszentrum, so dienten auch die anderen Bereiche des Geländes der NS-Machtdemonstration: in der Luitpoldarena wurden die Menschenmassen gesammelt, die – zu monolithischen Blöcken angeordnet – einen Pseudogottesdienst mit Hitler als „Oberpriester“ feierten. Die Luitpoldarena wurde nach dem Krieg jedoch wieder zurückgebaut und ist heute nur noch eine Parkanlage der Stadt Nürnberg. Unsere Geländeführung führte daher vom Dokumentationszentrum zur großen Straße, die zur Präsentation und als Aufmarschgelände für die Wehrmacht dienen sollte. Dann ging es weiter zum Zeppelinfeld. Diese Arena mit der großen Tribüne wurde als eines der wenigen Gebäude vor dem Zweiten Weltkrieg fertig gestellt. Genutzt wurde sie als Veranstaltungsort für Massenaufmärsche während der NS-Parteitage. Noch heute finden hier diverse Veranstaltungen statt, die aber die Wirkung des Gebäudes brechen sollen, z.B. die Deutschen Tourenmeisterschaften (DTM), Konzerte (z.B. AC/DC) und Festivals (Rock im Park), usw. Da die verblieben NS-Bauten unter Denkmalschutz stehen, gestaltet sich auch besonders die Frage, wie man mit den Bauten des NS-Regimes heute umgehen soll, als problematisch. Soll man die Zeppelinarena für viel Geld erhalten? Ist es vertretbar, in ein Gebäude des Geländes eine Burger-Fast-Food-Kette einziehen zu lassen? Einige Vorschläge für den Umgang mit dem Gelände erscheinen bisweilen un­passend und unausgereift. So dienen große Teile der ehemaligen Kongresshalle als Lager­halle für Firmen und die Buden des Nürnberger Christkindelsmarktes.

Insgesamt war die Exkursion nach Nürnberg wieder eine sehr lehrreiche Erfahrung die hilft, die Mechanismen von totalitärer Macht und Machtdarstellung zu durchschauen (dies gilt nicht nur für die Schülerinnen und Schüler). Die Fahrt nach Nürnberg war aber auch eine gute Fahrt für die gesamte Jahrgangsstufe Q3/4, die hier im gemeinsamen Lernen und Erleben auch eine gemeinsame Erinnerung an ihre Schulzeit haben wird. 

Patrick Elm

 

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