Schule blickt auf 1275-jährige Bildungstradition zurück und wagt Blick in die Zukunft
Zur Jubiläumsfeier am Donnerstag, dem 21.09., kamen Vertreter der Fuldaer Schulen und der Stadt sowie zahlreiche Ehemalige in der Aula der Schule zusammen. Neben den geladenen Gästen nahmen an der Feierstunde auch die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe sowie das Lehrerkollegium teil.
Bevor um 11 Uhr der feierliche Festakt begann, der den Reigen an kulturellen Veranstaltungen, Vorträgen und Konzerten im Rahmen des Schuljubiläums als Höhepunkt abschloss, hatten die Klassen 5 bis 10 das diesjährige Schuljubiläum gemeinsam mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Aula gefeiert.
Schulleiter Sven Müller begrüßte nach dem musikalischen Auftakt durch das Schulorchester zunächst die anwesenden ehemaligen Schulleitungsmitglieder der Rabanus-Maurus-Schule sowie die Vertreter der ausländischen Partnerschulen in Frankreich, Italien, Kroatien, in den Niederlanden und den USA, die weite Wege auf sich genommen hatten, um an den Feierlichkeiten teilnehmen zu können. Darüber hinaus richtete er Grußworte an die Kooperationspartner des Domgymnasiums, die Vertreter der schulischen Gremien, den Schulelternbeirat und den Förderverein, des Schulamts und der Stadt sowie an alle Schulleiterinnen und Schulleiter der mit dem Domgymnasium kooperierenden Schulen aus der Stadt und dem Landkreis Fulda. Ebenso begrüßte er den Festredner Dr. Ernst Fritz-Schubert und ging kurz auf dessen Vita und das Thema des Festvortrages ein.
Gleich zu Beginn seiner Festrede verwies Müller auf die identitätsstiftende Traditionslinie von 1275 Jahren Schulgeschichte am Standort Fulda und die Kontinuität des Strebens nach höherer bzw. nach humanistischer Bildung des Menschen als besonderes Aushängeschild des Domgymnasiums. Er räumte ein, dass die Rabanus-Maurus-Schule zwar durchaus verschiedene Wurzeln besitze, diese würden sich aber in dem die Schule bis heute prägenden Bildungs- und Erziehungsideal des Humanistischen Gymnasiums und im heutigen Leitbild der Schule – MenschSeinLernen – verbinden.
Eine Schule müsse heute aber mehr als bloß eine Bildungseinrichtung darstellen, vielmehr müsse es ein Zuhause für viele junge Menschen sein – kein seelenloses Gebäude, sondern ein Ort gelebter Gemeinschaft, um den Aufgaben an eine moderne Schule gerecht zu werden. Gegenseitiger Respekt, Wertschätzung und Unterstützung sowie Menschen, die sich dem Leitbild MenschSeinLernen verpflichtet fühlen, machten diese Gemeinschaft am Domgymnasium aus. Jeder sei herzlich eingeladen, sich in die Schulgemeinschaft einzubringen, die Schule mitzugestalten und sie damit auch zu „seiner“ Schule zu machen.
Angesichts der drängenden Veränderungen der Gegenwart wies der Schulleiter auf die Notwendigkeit hin, den Blick stets auch nach vorne zu richten: Das humanistische Bildungsideal, dem sich das Domgymnasium verpflichtet fühlt, müsse immer wieder den Nachweis erbringen, zeitgemäß und relevant zu sein. So müsse man das Schuljubiläum auch zum Anlass nehmen, sich zu vergegenwärtigen, was Bildung – insbesondere humanistische Bildung – für einen Stellenwert in der Zukunft haben soll: Quo vadis Domgymnasium? Ein besonderes Augenmerk müsse dabei auf die umfassende Schulung des Geistes, die im Zentrum der humanistischen Bildung stehe, und die sich von reiner Wissensvermittlung abgrenze, gelegt werden. Es sei wichtig , den Schülern Möglichkeiten der sprachlichen Bildung zu eröffnen, darüber hinaus aber auch – im Sinne einer universalen Bildung – weitere Angebote zu machen: So beinhalte das Profil des Domgymnasiums heute mit der Wissenschaftssprache Mathematik, den Naturwissenschaften und Robotik auch die MINT-Fächer, genauso wie den Kanon der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer und umfasse die musisch-künstlerischen Fächer und mit dem Orchester, dem Chor und der Big Band drei musikalische Ensembles mit hoher Qualität, die ebenso gemeinschaftsbildend und identitätsstiftend für die Schulgemeinschaft seien. Auch der Stellenwert des Sportes sei in den letzten Jahren am Domgymnasium deutlich gestiegen und trage neben den kulturellen Begegnungen mit den verschiedenen Austauschschulen zur Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler bei.
„Ziel humanistischer Erziehung und Bildung“, so Müller abschließend, „müsse es insgesamt sein, […] mündige Menschen heranzubilden, die eigenverantwortlich urteilen und verantwortungsbewusst handeln und ein kritisches Bewusstsein gegenüber einfachen Wahrheiten, fundamentalistischen Strömungen und vermeintlichen Alternativlosigkeiten entwickeln und […] Zukunft gestalten wollen.“
Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld eröffnete seine Grußworte mit der Bemerkung, die Geschichte der Stadt Fulda sei untrennbar mit der Geschichte des Fuldaer Klosters und der Klosterschule verbunden. Mit dem Rückgriff auf das Zitat „Zukunft braucht Herkunft!“ des Philosophen Odo Marquard machte Wingenfeld deutlich, dass die Auseinandersetzung mit der Tradition bzw. Herkunft Orientierung für die eigene Zukunft biete. Traditionelle Werte müssten aber zugleich ihre Zukunftsfähigkeit immer wieder neu unter Beweis stellen. Wingenfeld schloss sein Grußwort mit dem Versprechen ab, dass die Stadt Fulda auch in Zukunft immer als Partner an der Seite der Rabanus-Maurus-Schule stehen werde.
Marion van Cuylenburg betonte in ihrer Rede die Verantwortung der Lehrkräfte dafür, dass die Potenziale von Schülergenerationen erkannt und entfaltet werden und Kindern und Jugendlichen das Rüstzeug für ihr späteres Leben mitgegeben werde. Dies geschehe an der Rabanus-Maurus-Schule nicht nur im regulären Unterricht, sondern in besonderem Maße auch unabhängig von den vorgegebenen Curricula in vielfältigen AGs in den Bereichen Sport, Fremdsprachen und Naturwissenschaften sowie den musischen Fächern. Van Cuylenburg nannte die Schwerpunkte der Schule und betonte vor allem das soziale Engagement, das an der Schule großgeschrieben werde, und sich unter anderem bei der Durchführung von Sozialpraktika, der Streitschlichter-Ausbildung, dem Schulsanitätsdienst und dem Hilfsprojekt Arco Iris zeige.
Die Zahl 1275 rückten Christina Rühmann als Vertreterin des Schulelternbeirats und Dr. Carsten Schütz als Vorsitzender des Fördervereins „Wir Freunde des Domgymnasiums e. V.“ in das Zentrum ihrer Gedanken zur Jubiläumsfeier, indem sie alle Ziffern auf Merkmale und Qualitäten der Rabanus-Maurus-Schule bezogen. So stehe beispielsweise die 1 für die Einheit der Schulgemeinde, die nicht nur in Form der gemeinsamen Radwanderung der gesamten Schulgemeinde im Rahmen der Festwoche zum Ausdruck gekommen sei, sondern auch im alltäglichen Miteinander und nicht zuletzt im symbolträchtigen Ort der Aula als zentralem Begegnungspunkt der Schule. Nirgendwo werde der Gemeinschaftsgeist der Schule stärker widergespiegelt, da in der Aula für alle Domgymnasiasten die Schulzeit mit der Aufnahmefeier beginne und mit der Abiturientenentlassung ende.
Als Festredner hatte die Schulgemeinde Dr. Ernst Fritz-Schubert eingeladen, der im Jahr 2007 maßgeblich an der Einführung des Schulfachs „Glück“ an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg beteiligt war und seitdem als Hochschuldozent an der praktischen Umsetzung der Positiven Pädagogik in Bildungseinrichtungen mitwirkt. In seinem Beitrag mit dem Titel “Bildung – Ein Versuch, den Menschen zum Menschsein zu begaben”, setze sich Dr. Fritz-Schubert mit der Frage „Was ist Bildung?“, ihrem Nutzen und den Bedingungen ihres Entstehens auseinander.
Der Festredner räumte gleich zu Beginn ein, dass es bezüglich des Bildungsbegriffes keine klare Definition gäbe. Ganz im Gegenteil, der Begriff sei vielschichtig und werde unterschiedlich definiert: „Bildung des Menschen beinhaltet Formung, Entfaltung, Orientierung, Selbstgestaltung und das Gewinnen einer auch ästhetischen Urteilskraft.“ Bildung, so Dr. Fritz-Schubert, sei zunächst – in Anlehnung an die humboldtsche Begriffsdefinition – die Erschließung der Welt durch das Individuum. Teil dieses Vorgangs sei dabei auch die Erfahrung der eigenen Begrenztheit, ergänzte Fritz-Schubert mit Blick auf seine Vorrednerinnen und Vorredner. Bildung müsse deshalb immer auch als ein offener Prozess verstanden werden. Bildung betreffe nicht nur die Reifung und Entwicklung des Individuums, sondern bestimme auch das kulturelle Erbe und die Identität einer Gesellschaft und stelle die tragende Säule der Demokratie dar. Um eine nachhaltige Bildung in den Schulen zu erreichen, müsse neben dem Ziel der Wissensvermittlung auch ein stärkerer Fokus auf die Persönlichkeitsentfaltung gelegt werden.
Vor dem Hintergrund der Frage, warum Bildung nötig sei, grenzte Dr. Fritz-Schubert den Fortschritt im Sinne wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung auf der einen Seite von der Fähigkeit zum kritischen Hinterfragen der Gegebenheiten auf der anderen Seite ab. Bildung entfalte ihre Bedeutung nicht nur im Voranstreben, sondern grade auch im Innehalten, in der Frage nach ihrem Nutzen, der Anwendbarkeit und nicht zuletzt der Güte des Erlernten. Damit Bildung in diesem Sinne entstehen könne, hob Dr. Fritz-Schubert neben der Entwicklung fachlicher Kompetenzen auch die der personalen Kompetenzen hervor. Schülerinnen und Schülern müsse Raum für die Entfaltung von Stärken gegeben werden. Ein Schulsystem, das nur auf einem Belohnungssystem aufbaue, stellte Fritz-Schubert als nicht mehr zeitgemäß bzw. zu hinterfragen dar. Es sei wichtig, Fehler zu guten Begleitern zu machen: “Wir brauchen Schulen, die angstfreie Räume sind, wo Schüler Verantwortung für sich selbst und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler übernehmen und Schule gestalten, ohne dass ihnen Fehler um die Ohren gehauen werden, sondern wo sie lernen, diese als Chance zu begreifen.“
Ein Zitat des Pädagogen Hans-Joachim Heydorn aufgreifend, schloss Fritz-Schubert, dass Bildung der Versuch sei, „den Menschen zum Menschen zu begaben“ – ein Versuch, dessen Gelingen nicht garantiert werden könne, aber zugleich der einzige Versuch, der einen Versuch wert sei.
Dem Gastvortrag von Dr. Ernst Fritz-Schubert folgte zunächst ein Grußwort der Abiturientin und ehemaligen Schulsprecherin Joelle Ohnesorge, die zunächst einen persönlichen Dank an ihre eigene Schule richtete und dann besonders an die anwesenden Schülerinnen und Schüler appellierte, die Angebote der Schule zu nutzen und wertzuschätzen, was ihnen das Domgymnasium biete: “In der Schulgemeinschaft finden wir alle die Kraft, gemeinsam etwas zu leisten. Motivation ist der Schlüssel und ihr dürft nicht zulassen, dass Angst diesen Funken erstickt. Seid neugierig auf das, was die Welt zu bieten hat und habt den Mut, euren eigenen Weg zu gehen”.
Den Reigen der Festredner schloss Martina Ludwig, Vorsitzende des Personalrats an der Rabanus-Maurus-Schule, ab, indem sie einen Blick in die Zukunft wagte und nach kurzer Beleuchtung des Bildungsbegriffes den zentralen Gedanken noch einmal hervorhob, dass nicht das Denken an sich selbst, sondern das Handeln für andere und mit anderen im Mittelpunkt des humanistischen Bildungsbegriffs stehe. Im Namen der Schulgemeinde lud sie alle Anwesenden im Anschluss an den Festakt zu einem Umtrunk und Imbiss ins Foyer der Aula ein.
Bereichert wurde das Festprogramm durch Beiträge des Orchesters unter Leitung von Jutta Orfgen, des Chores unter Leitung von Simon Kubisch, der Big Band unter Leitung von Robert Klier und einen Ausschnitt aus einer Bühnenproduktion des DS-Kurses der Q3 unter Leitung von Frau Pia Heucke, die das in den Grußworten mehrfach betonte breite Engagement der Rabanus-Maurus-Schule für die geladenen Gäste beeindruckend unter Beweis stellten.
Barbara Kiel und Christoph Grießmann